Die Digitalisierung des Rechts als Herausforderung für Rechtspraxis und Rechtswissenschaft | Wolters Kluwer

2023-01-12 14:46:51 By : Ms. amy zhang

Wolters Kluwer ist ein weltweiter Anbieter von Fachinformationen, Software und Services für Juristen, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Klinik- und Pflegepersonal sowie für die Bereiche Finanzen, Auditing, Regulatorisches und Compliance.

Wir bieten bewährte klinische Technologie und evidenzbasierte Lösungen, die für Ärzte, Patienten, Forscher und Studenten von heute sowie für die Zukunft entwickelt sind. Unsere bewährten Lösungen sorgen für effektive Entscheidungen und konsistente Ergebnisse im gesamten Bereich der Pflege und Versorgung.

Wir ermöglichen Fachleuten und Unternehmen aller Größen im Bereich Steuern und Buchhaltung ihre Produktivität zu steigern, Veränderungen zu steuern und bessere Ergebnisse zu erzielen. Durch technologisch optimierte Workflows und umfangreiches Fachwissen helfen wir Unternehmen dabei, ihre eigenen Unternehmen und die ihrer Kunden auszubauen, zu verwalten und zu schützen.  

Wir unterstützen Finanzexperten dabei, die Einhaltung regulatorischer und gesetzlicher Verpflichtungen sicherzustellen, Risiken zu managen, ihre Effizienz zu steigern und so bessere Geschäftsergebnisse zu erzielen.

Unsere Expertenlösungen umfassen das Management von rechtlichen und unternehmensweiten Belangen sowie compliance-relevante Themen und regulatorische wie operative Compliance-Lösungen, in denen die Workflow-, Analyse- und Berichtsfunktionen genutzt werden.

Wir unterstützen Experten in Kanzleien, Notariaten, Rechtsabteilungen und im Öffentlichen Sektor dabei, effizienter und besser zu arbeiten, Risiken zu minimieren und komplexe Problemstellungen sicher und überzeugt zu lösen. Unsere profunde Expertise in klar definierten Fachgebieten, Praxisnähe und anwendungsorientierte Technologie unterstützen unsere Kunden dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen und Transparenz, Sicherheit und Gerechtigkeit zu gewährleisten.  

Die großen Vorteile der Blockchain sind gleichzeitig für Jurist:innen auch Kern der Herausforderungen, die diese Technologie mit sich bringt. Die Dezentralisierung stellt die überkommenen Vorstellungen und Konzepte der Regulierung in Frage, welche bislang mit im Wesentlichen zentral aufgestellten Organisationen zu tun hatte. Auch die Verantwortlichkeit der Akteure und ihre Identifizierbarkeit werfen Fragen auf. Die Unveränderbarkeit und die lückenlose Dokumentation aller Transaktionen in der Blockchain zieht Fragen des Datenschutzes – etwa des Umgangs mit Löschpflichten und dem Recht auf Vergessenwerden – nach sich.16

Digitalisierung und die Möglichkeit, sehr große und sehr unterschiedliche Datenmengen verarbeiten zu können (Big Data), ebnen den Weg für neue Geschäftstypen und Geschäftsmodelle, die es in einer nicht-digitalisierten Welt nicht geben konnte – und sie setzen oftmals die »klassische« Industrie unter Zugzwang, sich mit den neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen.

Die Geschäftsmodelle von Unternehmen wie Alphabet/Google, Meta/Facebook oder Amazon beruhen insbesondere darauf, Daten ihrer Nutzer zu sammeln und zu analysieren.17 Dadurch können sie zum Beispiel passgenau auf den einzelnen Nutzer zugeschnittene Inhalte anbieten, Werbung schalten und Kaufempfehlungen aussprechen.18 Damit sind persönliche Daten auch zu einer Art »Zahlungsmittel« respektive ihre Preisgabe zu einem Bestandteil von Leistungsversprechen geworden.19 Immer häufiger werden digitale Inhalte vermeintlich kostenlos angeboten und wie im Fall von Facebook als kostenlos beworben.20 Doch statt eines Geldbetrages »zahlt« der Empfänger für die Leistung mit der Preisgabe seiner persönlichen Daten. Diese sind für den Anbieter wertvoll, er kann sie für Datenhandel, aber vor allem für die Erstellung von Nutzerprofilen nutzen.21 Diese Leistungsbeziehung lässt sich mit dem bestehenden Datenschutzrecht noch nicht angemessen rechtlich einhegen. Sein Fokus ist nicht der Interessenausgleich, sondern der Persönlichkeitsschutz. Neben dem Datenschutz fehlten lange auch im Schuld- bzw. Vertragsrecht Mechanismen für eine Handhabung der bei der kommerziellen Nutzung persönlicher Daten widerstreitenden Interessen von Privatheit und Freiheit.22 Regelungsansätze hierzu finden sich nunmehr in den zum 01.01.2022 in Kraft getretenen neuen §§ 327 ff. BGB, also im Allgemeinen Teil des Schuldrechts.23 Sie beruhen auf der Digitale-Inhalte- Richtlinie,24 die Anforderungen an Verträge für die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen vorsieht sowie auch Regelungsmechanismen für Verträge beinhaltet, bei denen ein Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet.

»Industrie 4.0« ist das Stichwort, unter welchem die digitalisierungsgetriebenen Innovationen in der klassischen Industrie zusammengefasst werden.25 Es werden darunter die digitale Vernetzung von Produktionsanlagen oder einzelner Maschinen in der Industrie verstanden.26 Durch die Vernetzung können Maschinen untereinander kommunizieren und so zum Beispiel rechtzeitig vor verschleißbedingten Schäden warnen und Wartungsintervalle entsprechend vorausschauend ankündigen. So lassen sich Ausfallzeiten in der Produktion verkürzen und Prozesse verschlanken.27

Die Digitalisierung beeinflusst auch den Dienstleistungssektor und kann hier Motor grundsätzlicher Veränderungen sein. Die neuen Möglichkeiten der Datenverarbeitung bieten Chancen, sich wiederholende Prozesse oder Vorgänge massenhaft, aber gleichzeitig individuell zu bearbeiten. Über Online-Portale wie www. geblitzt. de, www. flightright.de oder www.wenigermiete.de können Nutzer schon heute mit nur wenigen Klicks eine Entschädigung für Flugverspätung oder -ausfall geltend machen, sich gegen einen Bußgeldbescheid wehren oder die Mietpreisbremse anwenden.28 Anbieter wie die RightNow GmbH oder die Conny GmbH weiten ihre Angebote zudem stetig auf neue Bereiche aus und vereinen diese unter einem Dach bzw. auf einer Plattform als zentrale Anlaufstelle für Verbraucher:innen.29 Die Prüfung der Ansprüche übernimmt dabei stets eine spezielle Software, so dass in kurzer Zeit eine große Zahl dieser gleichartigen Anliegen »individuell« bearbeitet werden kann. Durch Strukturierung der Daten, Standardisierung der juristischen Prüfungen und Prozesse sowie den Einsatz von Software lassen sich Skaleneffekte nutzen, womit auch die Bearbeitung von Fällen, in denen es um kleinere Streitwerte geht, für die Anbieter wirtschaftlich interessant wird. 

Vor allem im Internet treten mit der Digitalisierung private Infrastrukturanbieter auf den Plan, deren Handeln der Regulierung und gesetzlichen Einhegung bedarf. Das Internet ist kein »rechtsfreier Raum«, auch wenn der digitalen Welt Regulierung und Grenzen eigentlich systemfremd sind und das analog geprägte Recht mit seiner eigenen typischen Logik mit der digitalen Welt wenig gemein hat.42 

Bisherige Regulierungen im Internet erfolgten meist aus Gründen des Verbraucherschutzes (z.B. e-Commerce-Richtlinie, Verbot von Geoblocking). An einer darüberhinausgehenden grundsätzlichen, insbesondere international abgestimmten Strategie, auf welche Art und Weise und mit welchen Wertungen und Maßstäben »das Internet« reguliert werden soll, fehlt es aber noch. Erst nach und nach wird das technische Phänomen Internet auch als soziales Phänomen erkannt, welches auch den Mechanismen des Rechts unterworfen werden sollte.43  Charakteristisch für die Beziehung zwischen Infrastrukturanbietern und ihren Nutzer:innen ist ein Verhältnis struktureller Ungleichheit, das dem öffentlich-rechtlichen Über-/Unterordnungsverhältnis recht ähnlich sieht. Vergleichbar dem Verhältnis zwischen Bürger und Staat stehen sich die Akteure in einem erheblichen Machtgefälle gegenüber; Regulierung hat hier insbesondere für den Schutz des Schwächeren zu sorgen.  Die von der Rechtsprechung in Deutschland und auch beim EuGH seit einiger Zeit praktizierte (jedenfalls de facto-)Ausweitung der Grundrechtsbindung auf Private44 könnte als Blaupause taugen, wie sich öffentlich-rechtliche Ansätze wie der Schutz der Grundrechte des Einzelnen auf große private Infrastrukturanbieter übertragen lassen. Bedenkenswert ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass bei einer der unmittelbaren Grundrechtsbindung staatlicher Akteure gleichkommenden Bindung Privater die strengen Maßstäbe, die originär nur den Staat treffen sollen, die Privatautonomie ebendieser privaten Infrastrukturanbieter stark beschränken. Ein möglichst rechtssicherer Ausgleich der widerstreitenden Interessen des Grundrechtsschutzes der Nutzer:innen einer- und der Privatautonomie der Infrastrukturanbieter andererseits muss hier gefunden werden. Vor diesem Hintergrund ist eine Ausdehnung der Grundrechtsbindung auf Private abzulehnen; stattdessen ist die Legislative wie in anderen Bereichen mit deutlichem Machtgefälle berufen, durch die Setzung einfachen Rechts den schwächeren Vertragsparteien Schutz zu bieten und die bisweilen übermächtige Gegenseite in angemessene Schranken zu verweisen.  Klare, möglichst nahe an den fortlaufenden technischen Entwicklungen ansetzende und auf EU-Ebene abgestimmte rechtliche Vorgaben sind hier auch im Interesse der EU als Rechtsstandort, indem dieser durch Rechtssicherheit attraktiver wird. Ferner kann die EU – wie schon im Datenschutzrecht durch die DSGVO – dazu beitragen, international bedeutsame Maßstäbe für den Schutz von Verbraucher:innen zu setzen. Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass ein innovationsoffener Ansatz – etwa im Sinne einer abgestuften oder schrittweise erfolgenden Regulierung oder durch technologieneutral ausgestaltete gesetzliche Vorgaben – sinnvoll ist, um eine innovationshemmende Überregulierung zu vermeiden.  Mit Blick auf Online-Plattformen stellt etwa das »Digital Services Act Package« der EU-Kommission einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar. Mit den vorgeschlagenen Regelungen soll darauf reagiert werden, dass einige wenige große Plattformen wichtige Ökosysteme in der digitalen Wirtschaft kontrollieren und zu »Gatekeepern« auf den digitalen Märkten geworden sind. Als solche haben sie die Macht, als private Regelsetzer aufzutreten. Diese Regeln führen manchmal zu unfairen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen und zu weniger Auswahl sowie Einschränkungen für Verbraucher:innen, die diese Plattformen nutzen. Der Digital Services Act (DSA)45 und der Digital Markets Act (DMA)46 zielen vor diesem Hintergrund auf die Schaffung eines sichereren digitalen Raums, in dem die Grundrechte der Nutzer:innen geschützt sind und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen herrschen (»level playing field«).47 

Dem traditionell parochial geprägten Recht beschert die Digitalisierung einen weiteren Internationalisierungs-Schub. Die großen Akteure unter den Digitalanbietern sind global agierende Unternehmen, die in etlichen Rechtsordnungen dieser Welt zuhause sind und ein gewisses Geschick entwickelt haben, zum Beispiel im Bereich des Steuerrechts diejenige Jurisdiktion zu wählen, die ihnen die größten Vorteile verschafft. Auch die Internetkriminalität mit ihren häufig grenzüberschreitenden Sachverhalten verlangt viel stärker als bisher internationale Vereinbarungen und eine systematische Koordination der nationalen Strafverfolgungssysteme.48 Nationale Rechtsregeln sowie oftmals sogar noch kleinteiliger unterteilte Zuständigkeiten stehen hierzu in einem starken Gegensatz und führen zu Konflikten bei der Rechtsdurchsetzung. So wird in der Politik zwar seit langem zu Recht darauf hingewiesen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei, jedoch scheint es sich in vielerlei Hinsicht noch immer um einen rechtsdurchsetzungsfreien Raum zu handeln. Es ist wiederum die Europäische Union, die sich einheitliche europäische Rechtsregeln zum Ziel gesetzt und zum Beispiel mit der DSGVO ein solches Regelwerk geschaffen hat, wodurch auch über die EU-Mitgliedsstaaten hinaus Standards gesetzt wurden. Ein Anfang ist gemacht, es werden noch zahlreiche supra- wie international abgestimmte Regelwerke folgen (müssen).

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