Fotograf Rafael Heygster (vorn) und Sven Tiedemann vom Verein „Haus der Fotografie“ arbeiten am Aufbau der Ausstellung „Würde wahren – Porträts ehemaliger Patient*innen der Psychiatrischen Langzeitklinik Kloster Blankenburg“ in der bau_werk Halle am Pferdemarkt. Foto: Haus der Fotografie
Oldenburg (vs/pm) Der Oldenburger Verein „Haus der Fotografie – Verein zur Förderung der Fotografie in Oldenburg“ ist vom 3. bis zum 17. Oktober, erneut mit einer sehenswerten Fotoausstellung in der bau_werk Halle am Pferdemarkt zu Gast. Nach den Lieblingsfotos der Oldenburgerinnen und Oldenburger schlägt die Fotodokumentation „Würde wahren – Porträts ehemaliger Patient*innen der Psychiatrischen Langzeitklinik Kloster Blankenburg“ ein eher düsteres Kapitel aus Deutschland auf.
Der Bremer Fotograf Rafael Heygster zeigt in Oldenburg 50, zum Teil großformatige, Porträtfotos ehemaliger Patientinnen und Patienten aus Blankenburg. Wie die ersten Vorabveröffentlichungen und ein TV-Bericht bei Radio Bremen zeigten, geht diese Fotoausstellung mit den Fotos und Lebensgeschichten der Porträtierten unter die Haut und regt zu Gesprächen über diesen düsteren Ort vor den Toren Oldenburgs an. Die ersten 50 Besucher der Ausstellung erhalten am Eröffnungstag, Samstag, 3. Oktober, ab 11 Uhr eine exklusive Einführung in die Arbeiten durch den Fotografen Rafael Heygster.
Das Kloster Blankenburg vor der Oldenburger Stadtgrenze wurde von 1957 bis 1988 durch das ehemalige Zentralkrankenhaus Bremen-Ost als eine solche Verwahranstalt genutzt. Den Bericht der Kommission nahm der Bremer Senat 1980 zum Anlass, die Einrichtung, in der bis zu 396 psychisch Kranke untergebracht waren, als Langzeitpsychiatrie schrittweise aufzulösen. Als dieser Prozess 1988 abgeschlossen war, war das Kloster Blankenburg die erste geschlossene psychiatrische Anstalt, die in Deutschland auf Grund der Psychiatriereform aufgelöst wurde.
Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren Psychiatrien in Deutschland ausschließlich Verwahranstalten, in denen katastrophale, Menschen unwürdige Zustände herrschten. Zu diesem verheerenden Ergebnis kam die durch die damalige Bundesregierung eingesetzte Enquête-Kommission, in ihrem Bericht von 1975. Dieser war derart alarmierend, dass in den Folgejahren in Deutschland die radikalsten Reformen psychiatrischer Einrichtungen umgesetzt wurden.
Willi Fliedl. Foto: Rafael Heygster
Rund drei Jahrzehnte später stieß Rafael Heygster, 1990 in Bremen geboren, durch einen Fernsehbeitrag auf die Geschichte der Auflösung des Kloster Blankenburgs als Psychiatrie. Der freie Fotograf fragte sich, was aus den Menschen geworden ist, und begann seine Recherchen. In einem rund anderthalbjährigen Austausch mit den Betroffenen entstanden 2018/19 insgesamt 50 beeindruckende Fotoporträts ehemaliger Bewohnerinnen und Bewohner in ihrem heutigen Zuhause. Die Aufnahmen bestechen nicht allein durch die Sensibilität des Fotografen im Umgang mit den Porträtierten. Rafael Heygster überzeugt auch mit einem feinen Gespür für den richtigen Moment und versteht es meisterlich, Lichtsituationen und Stimmungen in berührende Fotografien umzusetzen.
Zur Ausstellung ist ein Begleitheft erschienen, in dem neben Heygsters Porträts Textbeiträge des Journalisten Manuel Stark zu finden sind, der einfühlsam die Lebensläufe der Protagonisten nachgezeichnet hat. Zusätzlich werden in der bau_werk Halle auch einige Bilder aus Heygsters aktuellen Projekten zu sehen sein, die das Schaffen dieses jungen, mehrfach preisgekrönten Fotografen illustrieren.
Im Rahmen der Ausstellung berichten die beiden ehemaligen Mitarbeiterinnen Gisela Tietje und Gabi Murr sowie Mitarbeiter Gunnar Zropf am Dienstag, 13. Oktober, 19 Uhr, unter der Überschrift „Ein Ende als Neuanfang“ in der bau_werk Halle über die Auflösung der Psychiatrie im Kloster Blankenburg.
Zu sehen ist die Ausstellung „Würde wahren – Porträts ehemaliger Patient*innen der Psychiatrischen Langzeitklinik Kloster Blankenburg“ vom montags bis freitags von 16 bis 20 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Im Eintrittspreis von sechs Euro (ermäßigt vier Euro) ist der Ausstellungskatalog enthalten.
Es gelten in der bau_werk Halle die gleichen die Hygiene- und Abstandsvorschriften, die auch für alle anderen Galerien und Museen in Niedersachsen gültig sind. Die Zahl der Besucher, die sich gleichzeitig in der Ausstellung aufhalten dürfen, ist beschränkt.
Mehr Informationen zum Verein unter www.hausderfotografie-oldenburg.de.
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Es ist schön und lobenswert, das Thema „Psychiatrie“ im Gespräch zu halten, die Menschen, die dort ihr Leben verbringen, haben jede Anerkennung verdient.
„Würde wahren – Porträts ehemaliger Patient*innen der Psychiatrischen Langzeitklinik Kloster Blankenburg“
Die Würde zu wahren ist wahrhaftig ein dringend notwendiger Hinweis. Es gibt viel, was dazu zu sagen wäre – und es ist unglaublich, was diese Menschen zum Teil mit ihrer, ganz eigenen, Sicht der Welt geleistet haben. Zuerst, natürlich, Antonin Artaud, ohne dessen Beitrag es das „moderne“ freie Theaterleben, vor allem in in Europa, so nicht gegeben hätte. Das beginnt öffentlich wirksam mit der Gründung des „Living Theatre“ in New York in meinen Geburtsjahr 1947 (!) und erlebt seine Höhepunkte in den Siebzigern auch mit Extremen wie der „Fools-Bewegung“ ausgehend von Amsterdam. https://de.wikipedia.org/wiki/Antonin_Artaud https://de.wikipedia.org/wiki/The_Living_Theatre https://www.youtube.com/watch?v=7t_YE2hGy7M Ein spannender bildender Künstler, August Walla, aus diesem Umfeld war Teilnehmer der Andre Heller „Jahrmarkt“-Präsentation „Luna Luna“ in Hamburg zum Beispiel. Ich, zumindest, war beeeindruckt – und wo ist die Grenze zu dem, dort ebenfalls vetretenem, Zeichner Roland Topor, der auch eine Nebenrolle im Film „Nosferatu“ von Werner Herzog übernahm? https://de.wikipedia.org/wiki/Luna_Luna_(Kunst) Es gibt wenige Dauer-Präsentationen für die Arbeiten dieser Leute, so etwa in der Stadt Schleswig das Museum für „Outsider Kunst“, aber auch Austellungen in St.Gallen oder Zürich. Wer sagt uns eigentlich, welche Gedankenwelt die „richtige“ ist?
„Irre – Wir behandeln die Falschen Buch von Manfred Lütz“ „Unser Problem sind die Normalen“
In einer Austellung zum Thema in Göttingen fiel mir ein Blatt besonders auf, auf dem stand: >Gott >Götter >Göttingen Ich hab da mal gewohnt – und die Autorin oder der Autor dieses Werks hatte vollkommen recht!
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